Förderung auch von weiterbildenden Studiengängen nach SGB III
(AZAV, Bildungsgutscheine)
Wesentliche Ergebnisse der gutachterlichen Stellungnahme von Gleiss Lutz, Stuttgart, zur Förderung akademischer Studiengänge im Rahmen der Vorschriften über die berufliche Weiterbildung gemäß SGB III
Die Kanzlei Gleiss Lutz Hootz Hirsch PartmbB Rechtsanwälte, Steuerberater („Gleiss Lutz“) wurde von einem Mitglied des Bundesverbandes der Fernstudienanbieter mit der Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme zu den verfassungs- und einfachrechtlichen Rahmenbedingungen für eine Änderung von § 180 Abs. 3 SGB III zur Ermöglichung einer finanziellen Förderung akademischer Studiengänge gemäß den §§ 81, 82 SGB III beauftragt („Stellungnahme“). Die als Entwurf mit Stand Januar 2021 vorliegenden Stellungnahme gelangt im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:
1. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmern i.S.d. §§ 81, 82 SGB III durch Erteilung von Bildungsgutscheinen gemäß § 81 Abs. 4 SGB III stellt ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Verwirklichung der Ziele der Arbeitsförderung dar, d.h. der Abwendung drohender Arbeitslosigkeit, der Überwindung bereits eingetretener Arbeitslosigkeit und dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SGB III).
2. Allerdings sind akademische Studiengänge („Maßnahmen, die auf den Erwerb eines Studienabschlusses an Hochschulen oder ähnlichen Bildungsstätten gerichtet sind“) gemäß § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB III von der Förderung durch Bildungsgutschein gemäß §§ 81, 82 SGB III ausgeschlossen. Dieser Ausschluss beruht auf der überkommenen Vorstellung, dass eine klare Abgrenzung von beruflicher (Erst)Ausbildung einerseits und beruflicher Fort- bzw. Weiterbildung sowie akademischer Weiterbildung andererseits möglich sei. Diese Annahme trifft jedoch gerade auf akademische Berufe nur eingeschränkt zu und wird der durch zunehmende Akademisierung gekennzeichneten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht gerecht. Soll das Instrument der beruflichen Weiterbildung seine Wirksamkeit auch unter veränderten Rahmenbedingungen behalten, dann sollte der Akademisierung des Arbeitsmarktes durch eine Öffnung der förderfähigen Weiterbildungsmaßnahmen für akademische Studiengänge Rechnung getragen werden.
3. Zur Ermöglichung einer Förderung akademischer Studiengänge durch Bildungsgutschein bedarf es einer Gesetzesänderung. Ausreichend hierfür ist eine Streichung des im bisherigen Halbsatz 2 von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 normierten Ausschlussgrundes, wonach Maßnahmen von der Förderung ausgeschlossen sind, die „auf den Erwerb eines Studienabschlusses an Hochschulen oder ähnlichen Bildungsstätten gerichtet“ sind.
4. Im Rahmen einer verfassungs- und einfachrechtlichen Betrachtung kommen die Verfasser der Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass rechtliche Gründe einer entsprechenden Änderung von § 180 Abs. 3 SGB III nicht entgegenstehen:
4.1 In verfassungsrechtlicher Hinsicht verfügt der Bundesgesetzgeber mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Recht der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung) über die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Eine Einbeziehung akademischer Studiengänge in die Förderung gemäß den §§ 81, 82 SGB III wird auch nicht durch den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG für die Regelung von Ausbildungsbeihilfen (insbesondere das BAföG) und durch die Hoheit der Länder hinsichtlich der institutionellen Aspekte des Bildungsbereichs ausgeschlossen.
4.2 Sollte es bei dem Ausschluss akademischer Studiengänge von der Förderung gemäß den §§ 81, 82 SGB III bleiben, steht zu befürchten, dass das Instrument der beruflichen Weiterbildung an Wirkung verliert und Akademiker hinsichtlich der Möglichkeit, Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung in Anspruch zu nehmen, gegenüber Nicht-Akademikern zunehmend strukturell benachteiligt werden.< p/>
4.3 Zudem würde der Gesetzgeber mit Streichung dieses Ausschlussgrundes den Weg konsequent weitergehen, den er mit der im Mai 2020 erfolgten Änderung von § 180 Abs. 3 SGB III eingeschlagen hat, mit der er die Möglichkeit geschaffen hat, in einem grundständigen Studium erworbene berufsfachliche Kompetenzen durch eine geförderte Weiterbildung zu erhalten bzw. zu erweitern oder anzupassen. Mit dieser – allerdings bisher auf Maßnahmen der „Weiterbildung“ beschränkten – teilweisen Öffnung der Ausschlussgründe des § 180 Abs. 3 S. 1 SGB III hat der Gesetzgeber einen ersten richtigen Schritt gemacht. Umso weniger verständlich ist es, weshalb der Gesetzgeber am Ausschluss berufsqualifizierender Studiengänge festgehalten hat.
Das ausführliche Gutachten kann jederzeit über die Bundesgeschäftsstelle angefordert werden.
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