Nationale Weiterbildungsstrategie zügig weiterentwickeln und umsetzen
Der stetig wachsende Fachkräftemangel und die Digitalisierung der Arbeitswelt stellen immer dringender werdende Anforderungen an die Weiterbildung. Um diesen zu begegnen, unterstützen wir, der Bundesverband der Fernstudienanbieter, ausdrücklich die Zielsetzung der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS), Lebenslanges Lernen als festen Bestandteil beruflicher und unternehmerischer Entwicklung zu etablieren und eine gemeinsame Weiterbildungskultur in Deutschland zu schaffen. Für die neue Umsetzungsphase haben wir im Folgenden zentrale Forderungen aus Sicht der Praxis der Erwachsenenbildung formuliert, die dringend Berücksichtigung finden sollten.
Warum engagieren wir uns in diesem Kontext? Weil der Bundesverband der Fernstudienanbieter über eine mehr als 50-jährige Expertise im Bereich der digitalen Bildung verfügt. Mediengestütztes und tutoriell betreutes Lernen ist das verbindende Element unserer mehr als 100 Mitglieder – allesamt erfahrene Expert:innen für lebens- und berufsbegleitende Lernformen. Als modernes Kompetenznetzwerk vertreten wir private als auch staatliche Anbieter akademischer und nichtakademischer digitaler Bildung und Unternehmen, die ein starkes Netzwerk in diesem Themenbereich suchen. Wir engagieren uns für die Etablierung von innovativen Lernkonzepten, die den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht werden und unterstützen nachhaltig die Etablierung einer lernenden Gesellschaft. Daher begrüßen wir die nun vorgestellte Fortführung und Weiterentwicklung der Nationalen Weiterbildungsstrategie durch BMBF und BMAS, die das Ziel verfolgt, die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland zu erhöhen und Beschäftigte und Unternehmen angesichts der Transformation der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft noch stärker für Weiterbildung und Qualifizierung zu gewinnen.
Konkrete Maßnahmen und neue Initiativen, die unter dem Motto „Kontinuität und Aufbruch“ vorgestellt wurden, um die Fortentwicklung des Weiterbildungssystems zu gewährleisten und die Weiterbildungskultur zu stärken, nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis. Sie reichen uns jedoch nicht weit genug.
Wir fordern vielmehr, die Leistungsfähigkeit digitaler Bildungsangebote in den Fokus zu rücken und derzeit vorhandene Zugangshürden abzubauen. Wir fordern die Schaffung und Etablierung von Qualitätsstandards, die für ALLE Bildungsangebote – unabhängig ihrer Vermittlungsform – gelten. Wir fordern gerechte Bildungschancen – nicht nur im schulischen Kontext, sondern auch im Bereich des Lebenslangen Lernens. (Weiter-)Bildung muss allen unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder finanzieller Ausgangslage gleichermaßen und barrierearm zugänglich sein!
Mit den folgenden sieben Punkten konkretisieren wir unsere Forderungen:
1. Schaffung eines digitalen Bundesbildungsgesetzes für Aus- und Weiterbildung
Um die Rahmenbedingungen für digitale Bildung rechtlich zu verankern, braucht Deutschland ein zeitgemäßes Bildungsgesetz. Wir fordern einheitliche Standards, die bundesweit gelten, und die die bestehenden föderalen Regelungen ergänzen. Denn digitale Bildungsangebote machen vor Landesgrenzen nicht halt. Digitale (Weiter-)Bildung soll allen Menschen in Deutschland gleichermaßen und unter gleichen Bedingungen möglich sein. Die Gleichwertigkeit digitaler Bildung gegenüber anderen Bildungsformaten muss endlich von allen Institutionen und in allen Gesetzen und Verordnungen anerkannt und gewährleistet werden. Nur mit einem neuen digitalen Bundesbildungsgesetz können Ungleichbehandlungen, die heute noch auf Seiten des Lernenden als auch auf Seiten der Weiterbildungsanbieter in Bezug auf Anerkennung, Förderfähigkeit und Zugänglichkeit existieren und je nach Bundesland variieren, beseitigt werden.
2. Sicherstellung der Qualität von digitalen Bildungsangeboten
Weiterbildungen im Fernunterricht unterliegen in Deutschland durch das Fernunterrichtsschutzgesetz einem einzigartigen Verbraucher:innenschutz. Die Inhalte und die methodisch-didaktische Konzeption des Bildungsangebotes im Fernunterricht werden staatlich überprüft und bestätigen, dass versprochene Bildungsziele mit der Maßnahme tatsächlich erreicht werden können. Dies gewährleistet eine gleichbleibende Qualität der Weiterbildungsmaßnahmen auf einem hohen Level. Wir fordern daher die Schaffung und Etablierung von verbindlichen Mindestqualitätsstandards für ALLE Weiterbildungsmaßnahmen, egal ob sie dem Fernunterrichtsschutzgesetz unterliegen oder nicht. Dies schafft Vertrauen auf Seiten der Lernenden und kann die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland tatsächlich erhöhen.
3. Sichtbarkeit und Transparenz
Das deutsche Bildungssystem braucht eine einheitliche und zentrale Darstellung von geprüften Qualifikationen, welche die Transparenz und Nutzbarkeit für den Teilnehmenden einer Bildungsmaßnahme steigert. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) ist dafür der richtige Ansatz. Aktuell setzt der Verband mit dem Fernstudien-DQR als einziges Register die Vorgaben der EU für alle Bildungsabschlüsse in Deutschland um.
4. Bildungskarrieren ermöglichen
Immer mehr deutsche Unternehmen melden akuten Fachkräftemangel. Laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer (Mai 2022) behinderte der Fachkräftemangel zu Beginn des 2. Quartals die Geschäftstätigkeit von 44 % der Unternehmen. Hier gilt es, dringend Abhilfe zu schaffen. Dies kann unter anderem durch die Anerkennung von Leistungen und Bildungskarrieren gelingen. Daher fordert der Verband die Durchlässigkeit bei nicht-akademischer und akademischer Bildung durch gegenseitige Anerkennung von modular erbrachten Leistungen. Nur so kann ein niedrigschwelliger Zugang zu Bildung erfolgen und Zugangsgerechtigkeit geschaffen werden. Es bedarf zudem bundeseinheitlicher Reformen, um aktuell bestehenden, regional ausgerichteten Einschränkungen für Qualifizierungen (z. B. für Mangelberufe wie Erzieher:innen oder Pflegefachkräfte etc.) entgegenzuwirken und digitale, länderübergreifende Bildungsangebote als Teil der Prüfungsvorbereitung zu ermöglichen. Im Sinne des Lebenslangen Lernens und der Förderung der Chancengleichheit verstehen wir die Durchlässigkeit hierbei nicht nur als einen vertikalen, sondern auch als einen horizontalen Prozess – wie bspw. die Anrechnung von Vorleistungen zwischen in der Praxis erworbenen und formal nachgewiesenen Kompetenzen.
Auch die Mobilisierung von bisher ungenutzten Bildungsreserven kann mittels der Nationalen Weiterbildungsstrategie gelingen, wenn die Potenziale digitaler Bildung erkannt und genutzt werden. Durch die Vorteile der Methode, die sich vor allem in der zeitlichen Flexibilität von Lern- und Lehrzeiten, der Ortsunabhängigkeit und geringen Zugangsbarrieren auszeichnen, können ALLE Zielgruppen erreicht werden.
5. Digitale Kompetenzen etablieren
Unternehmensstrukturen und die Anforderungen an die Arbeitswelt haben sich in den vergangenen Jahren so schnell verändert wie in keiner Phase der industriellen Revolution. Der Grund dafür: die immer weiter fortschreitende Digitalisierung. Prozesse, Wertschöpfungsketten, Geschäftsmodelle und sogar ganze Organisationsformen werden auf den Prüfstand gestellt. Unternehmen müssen häufig umdenken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt im Speziellen auch für die Weiterbildung der Expertise der eigenen Fach- und Führungskräfte. Nur durch die breite Etablierung digitaler Kompetenzen, deren Vermittlung in digitalen Bildungsangeboten automatisch inkludiert ist, sind die Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft und moderner Arbeitswelten zu bewältigen. Es ist daher zwingend notwendig, Weiterbildung um Digitalkompetenzen zu erweitern, um zukunftssichere Unternehmensstrategien und Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.
6. Bildungsgerechtigkeit schaffen
(Weiter-)Bildung muss für Teilnehmende, Arbeitgeber:innen und Bildungsanbieter:innen planbar, realisierbar, finanzierbar und bundeseinheitlich geregelt sein! Dafür braucht es entsprechend zur Verfügung gestellte Mittel, die nicht im Gießkannenprinzip, sondern bedarfsorientiert vergeben werden und somit Bildungsgerechtigkeit schaffen. Digitale Bildung macht niedrigschwellig individualisierte Förderung möglich und schafft Teilhabe. Gelingen kann dies durch die Novellierung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) auf Basis von Praxiserfahrungen, Integration von Weiterentwicklungen – insbesondere im SGB III – und Lotsen im Förderdschungel.
7. Effizienz und Nachhaltigkeit steigern
Eine Stärkung des deutschen Bildungssystems durch digitale Angebote fördert ressourcenschonend die Effizienz (individuelle Förderungen und Skalierbarkeit der Bildungsangebote), Flexibilität, Adaptivität und Nachhaltigkeit (z. B. durch den Wegfall von Reisezeiten und -belastungen) von Bildungsleistungen. Voraussetzung dafür ist, digitale Vorgänge und bundeseinheitliche Regelungen zu etablieren.
8. Definition von „Unterricht“ modernisieren
Mit allen in den Positionen eins bis sieben beschriebenen Punkten haben wir die Mehrwehrte digitaler Bildung und ihre Leistungsfähigkeit skizziert. Damit diese Mehrwerte allerdings auch greifen können, damit digitale Bildung finanziell annehmbar für den/die Verbraucher:in angeboten und zuvor wettbewerbsgerecht auf Seiten des Anbieters realisiert werden kann, bedarf es einer Aktualisierung des „Unterrichts“-Begriffes. Die noch heute geltende Unterrichtsdefinition, wonach dieser ausschließlich synchron (also Lehrende und Lernende nehmen gleichzeitig in einem fest definierten Zeitraum mit fixem Start- und Endzeitpunkt an einer Lehrveranstaltung teil) hat sich überlebt. Es bedarf hier dringend einer Öffnung der zu streng gefassten Definition, die auch die asynchrone Lehre mit einbezieht, wonach Lehrpersonen und Studierende nicht direkt aufeinanderstoßen, sondern Wissensvermittlung orts- und zeitunabhängig stattfindet. Diese längst überfällige Anpassung an die Lebens- und Arbeitswirklichkeit ist nicht zuletzt nötig, um Bildungsanbietern und Verbraucher:innen Klarheit im Förder- und Steuerdschungel zu bieten.
Um diese Forderungen zeitnah und praxisorientiert umzusetzen, stehen wir gerne mit unserer Expertise für tieferergehende Gespräche und Erläuterungen zur Verfügung und bringen uns in die Gremienarbeit ein.
Ansprechpartner für weitergehende Fragen:
Bundesgeschäftsstelle
Tel. 030 – 767 856 970
geschaeftsstelle@fernstudienanbieter.de
Stand: November 2022